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1.3 Polytänchromosomen bei Pflanzen

Die ersten Beschreibungen von polytänen Chromosomenstrukturen bei Pflanzen stammen wie die der Dipteren aus dem ausgehenden neunzehnten Jahrhundert. Strasburger (1887) entdeckte sie im Embryosack von Fritillaria imperialis und Osterwalder (1898) in den Antipoden von Aconitum. Osterwalder erkannte als erster die Ähnlichkeit mit den von Balbiani beschriebenen Strukturen aus den Speicheldrüsen von Chironomus, und auch anderen Autoren fiel eine Übereinstimmung auf (Hertwig 1906). Es folgten noch weitere Beschreibungen von ähnlich gebauten Chromosomen (z. B. Geitler 1953). Auch die beiden Cytogenetikerinnen Tschmermak-Woess und Hasitschka beobachteten "eigenartige band- bis wurstförmig, gewundene Gebilde" in den Kernen der Integumentepidermis von Melandrium viscosum und in den Trichomen an den Staubblättern von Bryonia (Tschermak-Woess und Hasitschka 1954). Die Autorinnen waren sich zunächst unsicher, ob diese Gebilde mit den somatisch gepaarten Riesenchromosomen der Dipteren vergleichbar seien. Erst nachdem sie ähnliche Strukturen an den bereits von Osterwalder untersuchten "Riesenkernen" der Antipodenzellen von Aconitum (Tschermak-Woess 1956) wiederentdeckten und ähnliche Chromosomen auch bei Papaver rhoeas (Hasitschka 1956) fanden, wuchs die Gewißheit. So schreibt Tschermak-Woess: " ... kann wohl kein Zweifel über die Deutung der pflanzlichen 'Riesenchromosomen' bestehen: auch diese sind nichts anderes als Bündel von Chromonemen, die im Zuge der endomitotischen Polyploidisierung aus einem Ausgangschromosom hervorgehen" (Tschermak-Woess 1956, S.128; Hasitschka 1956). Allerdings wurde der Begriff "Riesenchromosomen" bei Pflanzen weiterhin in Anführungszeichen gesetzt, denn sie zeigten im Vergleich zu den klassischen Polytänchromosomen von Dipteren keine Querbandenmuster und das Längenverhältnis von mitotischen zu polytänen Chromosomen beträgt mit ca. 1:10 nur ein Zehntel dessen von Dipteren (Hasitschka 1956). Daß diese grundlegenden Arbeiten in die spätere Literatur kaum Eingang gefunden haben, läßt sich nach Therman (1995) vermutlich darauf zurückführen, daß sie in deutscher Sprache erschienen.

Die systematische Suche nach Polytänchromosomen in anderen Pflanzen wurde am Botanischen Institut der Universität Wien weiter fortgesetzt, und auch Beobachtungen anderer Forscher schlossen sich an. Eine Übersicht über das Vorkommen von Polytänchromosomen in 30 Pflanzenarten, die bis 1979 veröffentlicht wurden, findet sich bei Nagl (1981). Sechs weitere Berichte über Polytänchromosomen bei Pflanzen, die erst nach 1979 erschienen sind, werden in Tabelle 1 aufgeführt.

Tabelle 1: Vorkommen und Erstbeschreibungen von Polytänchromosomen in Angiospermen, die nach 1979 erschienen. Ältere Veröffentlichungen finden sich bei Nagl (1981).

Art

Gewebe

Literatur

Lotus pedunculatus

Suspensor

Freed und Grant 1976 1

Melandrium viscosum

Integument-Epidermis

Tschermak-Woess und Hasitschka 1954 1

Phaseolus coccineus

Tapetum

Guerra und Carvalheira 1994

Pisum savtivum

Wurzelspitzen

Therman und Murashige 1984

Psophocarbus tetragonolobus

Suspensor

Sen 1980

Triticum aestivum

Wurzelspitzen
embryogenen Kalli

Shang und Wang 1991
Shang und Wang 1991

Vigna unguiculata

Tapetum

Guerra und Carvalheira 1994

1Ergänzungen für die Zeit bis 1979


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