Als Grundlage für die Beschreibung eines Karyotyps dient traditionell die Gesamtlänge der Chromosomen und das Verhältnis ihres längeren zum kürzeren Arm. Bei der Darstellung im Karyogramm und Idiogramm werden die Chromosomen entsprechend ihrer Gesamtlänge sortiert angeordnet (vom Größten zum Kleinsten) und der kürzere Arm nach oben ausgerichtet. Um auch die Polytänchromosomen nach diesem gängigen Schema darzustellen, wurden die Armlängen und die Armlängenverhältnisse ermittelt, auch wenn diese variieren können (vgl. 3.3). Zusätzlich wurden die Längen der Bereiche des cHC bestimmt, für die bisher keine Angaben vorlagen.
Die Längenmessungen wurden an Polytänchromosomen von elf Kernen nach Vorbehandlung mit RNase und Pepsin/HCl sowie anschließender Färbung mit DAPI bzw. mit DAPI/PI durchgeführt. Die dekondensierten Chromatinbereiche der NORs wurden nicht mitgemessen, da sie sich in der Regel zu einem Sammelnukleolus zusammenschließen. Extreme Werte der Armlängen, die sich anhand der morphologischen Veränderung (z.B. Verjüngung im Euchromatin) offensichtlich auf präparationsbedingte Streckung, Stauchung oder Torsion zurückführen ließen, wurden nicht berücksichtigt. Die Identifikation der Chromosomen und Arme ergab sich aus der jeweils spezifischen Ausprägung ihres cHC (vgl. Abschnitte 3.3.1 und 3.4.2).
Aus den Armlängen wurden die Gesamtlänge des Chromosoms, das Armlängenverhältnis (r), der Centromer-Index (i) und der prozentuale Anteil des jeweiligen Chromosoms, bezogen auf die haploide Komplement-Länge (HKL), errechnet (Tabelle 7). Die Position des Centromers (CP) wurde anhand des Armlängenverhältnis nach Levan et al. (1964) bestimmt:
Centromerposition (CP) |
Armlängenverhältnis |
mediane Region (m) |
>1,0 bis 1,7 |
submedian (sm) |
>1,7 bis 3 |
subterminal (st) |
> 3,0 bis 7 |
terminale Region (t) |
> 7 bis [infinity] |
Ferner wurde aus den Längen des cHC auf dem jeweils kurzen bzw. langen Arm die Gesamtlänge des cHC und das Verhältnis der Längen sowie der prozentuale Anteil des cHC an der Gesamtlänge des Chromosoms, des gesamten cHC aller Chromosomen und bezogen auf die HKL ermittelt (Tabelle 8).
Demnach besteht der Karyotyp aus acht Chromosomen mit median liegendem Centromer (m) [Chromosomen C, D, E, F, G, H, I, J], einem mit subterminalen Centromer (st) [Chromosom B] und zwei mit dem Centromer in der terminalen Region (t) [Chromosomen A und K], woraus sich die Karyotypformel: 8 m + 1 st + 2 t ergibt. Die mittleren Chromosomenlängen liegen zwischen maximal 95 ± 24 µm [Chromosom A] und minimal 56 ± 12 µm [Chromosom K]. Die HKL wurde mit 828 ± 167 µm berechnet.
Unter Einbeziehung der Standardabweichung variieren die Armlängenverhältnisse der 8 Chromosomen mit median gelegenen Centromer zwischen ca. 1,0 und 1,7 (vgl. Tabelle 7). Dies bedeutet, daß die beiden Arme dieser Chromosomen mehr oder weniger gleich lang sind. Bei solchen Chromosomen kann daher eine ungleichmäßige, präparationsbedingte Streckung leicht zu einer Umkehr des Armlängenverhältnisses führen.
Die Auswertung der Längenmessungen der Bereiche cHC weist den größten mit einer Länge von 25 ± 6 µm [auf den Chromosom C] und den kleinsten cHC-Bereich mit einer Länge von 3 ± 1 µm [auf Chromosom A] aus. Die Summe der cHC-Längen aller elf Chromosomenpaare liegt bei 183 ± 35 µm. Damit beträgt der Anteil der Summe aller cHC-Bereiche an der HKL 22,1 %.
Tabelle 7: Morphometrische Daten des Karyotyps der Polytänchromosomen von Phaseolus coccineus cv. Preisgewinner. Die Meßwerte der Armlängen sind als Mittelwert ( ) mit Standardabweichung (s) angegeben. Daraus wurden errechnet: das Armlängenverhältnis (r = q/p), der Centromerindex (i = [(100 * p)/(p+q)]) und der Anteil der Chromosomenlänge an der haploiden Komplementlänge (HKL). CP = Position des Centromers: t = terminale Region, st = subterminale Region, m = mediane Region.
Tabelle 8: Morphometrische Daten des centromernahen Heterochromatins (cHC) der Polytänchromosomen von Phaseolus coccineus cv. Preisgewinner. Die Meßwerte des cHC auf dem kurzen bzw. auf dem langen Arm sind als Mittelwert ( ) mit Standardabweichung (s) angegeben. Daraus wurden errechnet: das Verhältnis des cHC (cHC Verh. = [cHC auf langem Arm]/[cHC auf kurzen Arm), der prozentuale Anteil des cHC bezogen auf die Gesamtlänge des Chromosoms (a), auf die Summe aller cHC-Bereiche (b) und auf die haploide Komplementlänge (c).
cHC auf |
cHC |
cHC |
a |
b |
c |
n |
||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
±s |
± s |
± s |
||||||
Chr. |
[µm] |
[µm] |
[µm] |
[%] |
[% |
[%] |
||
A |
2,6 ± 0,7 |
- |
2,6 ± 0,7 |
- |
2,7 |
1,4 |
0,3 |
9 |
B |
- |
11,6 ± 1,4 |
11,6 ± 1,4 |
- |
12,8 |
6,3 |
1,4 |
11 |
C |
8,6 ± 2,1 |
16,3 ± 4,3 |
24,9 ± 6,2 |
1,89 ± 0,26 |
29,4 |
13,6 |
3,0 |
8 |
D |
4,7 ± 1,5 |
6,8 ± 2,2 |
11,5 ± 3,7 |
1,46 ± 0,16 |
14,7 |
6,3 |
1,4 |
6 |
E |
15,6 ± 1,7 |
7,5 ± 1,8 |
23,1 ± 2,7 |
0,48 ± 0,11 |
30,1 |
12,6 |
2,8 |
8 |
F |
5,6 ± 2,1 |
9,0 ± 2,5 |
14,6 ± 4,3 |
1,65 ± 0,30 |
19,9 |
8,0 |
1,8 |
8 |
G |
7,2 ± 0,8 |
12,7 ± 2,5 |
19,7 ± 2,3 |
1,84 ± 0,58 |
27,6 |
10,8 |
2,4 |
5 |
H |
5,6 ± 1,1 |
15,9 ± 2,4 |
21,5 ± 3,2 |
2,89 ± 0,43 |
30,5 |
11,8 |
2,6 |
5 |
I |
7,2 ± 0,8 |
8,0 ± 0,9 |
15,2 ± 1,6 |
1,11 ± 0,09 |
22,9 |
8,3 |
1,9 |
10 |
J |
11,4 ± 2,1 |
7,8 ± 2,0 |
19,0 ± 3,7 |
0,71 ± 0,16 |
29,0 |
10,4 |
2,3 |
11 |
K |
- |
19,0 ± 4,9 |
19,0 ± 4,9 |
- |
- |
10,4 |
2,3 |
9 |
Ges. | - |
- |
182,7± 34,7 | - |
- |
100,0 | 22,1 | - |