Definition von Euchromatin und Heterochromatin
Bereits bei der Präparation unter dem Stereomikroskop war zu erkennen, daß die Polytänchromosomen nicht in allen Suspensorzellen gleich stark kondensiert vorlagen. Noch deutlicher ließen sich diese Unterschiede anhand der Helligkeit im Phasenkonstrast-Mikroskop beobachten.
Bei etwa 90% der Kerne ließen sich an den Chromosomen drei unterschiedlich helle Abschnitte feststellen. Im Centromerbereich befand sich meist ein besonders heller Bereich und an den Enden in der Regel sehr dunkel bis schwarz erscheinende punktförmige Strukturen. Die dazwischen liegenden Bereiche erschienen in einem mittleren Grau, das etwas dunkler war als der Hintergund (Abbildung a).
Nach Heitz (1928) werden solche Bereiche als heterochromatisch bezeichnet, die auch während der Interphase kondensiert bleiben und sich stärker anfärben als die Masse des Euchromatins. Wendet man den ersten Teil der Definition auf die oben erwähnte Beobachtung an, so läßt sich daraus für die Polytänchromosomen von Phaseolus coccineus, die Interphasechromosomen darstellen, folgendes ableiten:
Die stark lichtbrechenden und daher hellen Abschnitte der Centromerregion sowie die dunklen punktförmigen Strukturen der Chromosomenenden stellen dicht gepacktes (kondensiertes) Chromatin dar und werden im folgenden als heterochromatisch angesehen.
Die dazwischenliegenden Chromosomenabschnitte, die weder stark lichtbrechend noch dunkel erscheinen, stellen lockeres (dekondensiertes) Chromatin dar und sind damit als euchromatisch anzusehen.
Vergleicht man die Helligkeitsverteilung innerhalb der Chromosomen eines Kerns im Phasenkontrast mit der Fluoreszenzintenstität nach DAPI-Färbung, so läßt sich eine weitgehende Übereinstimmung beobachten. Die nach obiger Definition heterochromatischen Bereiche färben sich mit DAPI stärker an als die dazwischenliegenden euchromatischen Chromosomenabschnitte (vgl. beschriftetes Chromosom in Abbildung b und c).
Aus früheren Arbeiten ist bekannt, daß die Morphologie der Polytänchromosomen von Phaseolus coccineus sehr variabel sein kann, was sowohl ihre Gesamtlänge als auch die Verteilung heterochromatischer Banden/Querscheiben im Euchromatin betrifft (Nagl 1965; Nagl 1967; Nagl 1981).
Es wurde daher nach anderen Merkmalen gesucht, die eine verläßlichere Klassifizierung der Chromosomen als bisher ermöglichen. Insbesondere sollte eine individuelle Identifikation der Polytänchromosomen in Präparaten nach Fluoreszenz-in situ-Hybridisierung (FISH) ermöglicht werden. Die Präparate für die Karyotypisierung wurden daher derselben Vorbehandlung mit RNase und Pepsin/HCl unterzogen wie die FISH-Präparate und mit DAPI bzw. einem bei der FISH gebräuchlichen Gemisch aus DAPI und Propidiumiodid gefärbt.